Baustellengeschichten – Teil 2, 29.04.2021

In der St.-Jürgen Kirche sind alle alten Wände freigelegt. Der Bauhistoriker hat dabei viel Interessantes entdeckt. Mich hat am meisten fasziniert, dass historische Schichten zu erkennen sind, die weit in die Vergangenheit zurückreichen. Sogar bis vor die Letzte Fehde 1599. Das war mir als Gründungsjahr unserer Kirche geläufig, wurde sie doch auf den Grundmauern der Vorgängerkirche errichtet. Dass diese Grundmauern, zu großen Teilen aus Feldsteinen bestanden wussten wir. Dass diese noch erkennbaren Mauern mir zum Teil bis über den Kopf reichten, habe ich erst jetzt begriffen. Auf dem Bild kann man mindestens drei verschiedene historische Bauschichten erkennen: die alten etwas geflickten Feldsteingrundmauern, alte Klosterformatmauersteine – ebenfalls wohl aus der Vorgängerkirche (so um 1460 entstanden), zu erkennen an der Größe und den geritzten und ausgemalten Fugen, und dazu geflicktes neuzeitliche Backsteinmauerwerk mit Steinen, wie wir sie heute auch noch verbauen.

Diese zusammengeflickte Wand scheint mir ein gutes Bild für unsere Kirche insgesamt zu sein. Jede Generation hat ihre Kirche gepflegt und weiter gebaut, es spiegelt sich die gesellschaftliche Entwicklung in dem Kirchbau. Dazu kommt mir ein biblisches Bild in den Sinn, für das diese Aufnahme eine wunderbare Illustration sein möge: Und ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause, dass ihr Gott wohlgefällig seid (1. Petrus 2,5)

Wir sind in unserer Kirchengemeinde mindestens so vielfältige lebendige Steine, wie sie sich in diesem Mauerabschnitt zeigen. Ich wünsche mir, dass diese Vielfalt wie ein lebendiges Haus ist: einladend und bergend, dass jede und jeder Schutz und Geborgenheit, Trost und Zuflucht, Platz für Nähe, Begegnung und Austausch findet – auch in der hoffentlich bald wieder geöffneten Kirche am Markt – wie eben auch bei den Menschen, die eigentlich zuallererst Kirche sind!

Pastorin Astrid Buchin